Pornfilmfestival 2012: Chroniques sexuelles d’une famille d’aujourd’hui / I want your love / Mondo Manila

Eigentlich wollten wir im Vorfeld viel mehr über das Pornfilmfestival (24.-28. Oktober 2012, Berlin) schreiben, aber die Filme kamen zu spät, um sie in Ruhe anzusehen. Es musste schnell-schnell gehen, und das ausgerechnet bei unserem Lieblingsthema. Nun hab ich mich gegen meine Natur aber doch beeilt, um wenigstens einige zu besprechen. Wenn auch nicht so sorgfältig, wie ich es gern getan hätte.

CHRONIQUES SEXUELLES D’UNE FAMILLE D’AUJOURD’HUI
Ein versöhnlicher, humorvoller Familienfilm der bürgerlichen Mitte. Er weiß es, will es, und es ist amüsant und sehr erstaunlich, dass ihm das gelingt, mitsamt steifer Schwänze und nackter Muschis. Es geht um eine sehr sympathische Familie in einem schönen Landhaus, und darum, wie entspannt sie mit einander leben und was die Einzelnen für ein Sexleben haben. Tolerante Leute, man sieht ihnen gerne zu, sie spielen gut, der Film ist auf schlicht-charmante und normale Weise gut, aber ich kann kaum was darüber schreiben. Sich einander verständlich Machen und einander häufig Anlächeln scheint das Rezept zu sein, damit das alles so harmonisch klappt. Und vielleicht könnte Sexualität wirklich so harmlos und angenehm sein, wenn keiner sie tragisch nähme und alle sie gut mit einander geregelt kriegten. Wenn. Das ist der Punkt. Denn ich bin ja wahrscheinlich selber nett, und doch ist es meiner Erfahrung nach nicht leicht – auch dann nicht, wenn alle anderen genau so nett sind. Man kann dem Film aber deshalb nicht böse sein. Und immerhin leidet ja doch einer: der jüngste Sohn. Er liebt ein Mädchen, das seiner hübschen, schelmischen Mutter ähnelt, aber er ist zu schüchtern. Alle anderen haben Sex und freuen sich, das macht ihn völlig fertig. Am Ende klappt es aber auch bei ihm, und auf dem Schlussbild freuen sich dann wirklich alle. Hm.
Frankreich 2012, Regie: Pascal Arnold, Jean-Marc Barr

I WANT YOUR LOVE
Auch in diesem Film wird viel gelächelt und gelacht, um sich und anderen ein gutes Gefühl zu geben bei dieser heiklen Sache. Es gibt viel belanglos und beiläufig wirkendes Alltagsmiteinander drumherum, das sicher an Bedeutung gewinnen würde, könnte ich nur besser englisch. In der Mitte aber ist deutlich mehr Sex als in den CHRONIQUES, dampfiger und heißer, wie Jungs anscheinend untereinander sind, jedenfalls in den Filmen unserer Kulturkreise. Ich hab`s schon mal geschrieben: In den Pornos, die ich bisher gesehen habe, wirkt es oft so, als begehrten die Frauen die Männer gar nicht richtig. Das wundert, da doch meistens Männer diese Filme drehen. Fehlt es ihnen an Glauben, an lebendiger Erfahrung? Sind sie befremdet? Weibliches Verlangen wird entweder scheu oder affektiert/unecht dargestellt. In den CHRONIQUES SEXUELLES ist ersteres der Fall; die Frauen sind zart, vorsichtig, gewährend, abwartend, manchmal verspielt lockend, weil sie sich in ihrer Wirkung auf die Männer mögen. Sie lassen die Männer herankommen und gehen freundlich mit verstohlener, dezenter, fast unmerklicher Erregung auf sie ein. Die Männer richten sich danach. Alle benehmen sich. Und verleugnen das Monster, das in ihnen randaliert. Glaub ich jedenfalls. In anderen Heterofilmen ist der Mann zwar ein Monster, doch das will dann lieber eine Frau quälen als Sex mit ihr machen (auf dem diesjährigen Pornfilmfestival vertreten durch z.B. THE BUNNY GAME, den ich noch besprechen werde). Ich verstehe das noch nicht so richtig. Ich mag mich täuschen, wenn ich denke, dass das alles vielleicht etwas über das Sexualleben der meisten Menschen in unserem Kulturkreis aussagt; ich hoffe ja, das tut es nicht.

Die Männer unter sich in I WANT YOUR LOVE sind zwar auch herzlich und zärtlich, aber wenn der Sex dann losgeht, sind sie zupackend und von Herzen geil. I WANT YOUR LOVE ist eine warm beleuchtete, kuschelige Schlangengrube voller oft interessanter, maskuliner, körperbetonter, haariger Männer, die viel miteinander scherzen, flirten, leidenschaftlich mit einander schlafen, oft in einem Club und seinen Hinterzimmern, dort sieht es aufregend aus, saugt einen ein und löst schlimme Sachen aus in den Betrachtern. Leider hat meine Version keine Untertitel, und die Männer reden undeutlich, aber angeregt und viel (typisch für einen „Mumblecore“ Film, wie Kollege Ecki mir sagte) und im nächsten Leben werde ich ein schwuler Mann.
USA 2012, Regie: Travis Mathews

MONDO MANILA
Hier geht es wirklich drunter und drüber. Ein wildes, punkig-poppiges und manchmal surreales Panoptikum aus den Boomtown-Slums. Eine vom ersten Moment an überfordernde schöpferische Orgie mega-vitaler Bilder, hyperfescher Musik, hysterisch lebendiger Leute. Nach einer Minute fängt man an zu schwitzen und wünscht sich eine Leinwand statt des viel zu kleinen Bildschirms. Crazy und alarming wie LIFE AND DEATH OF A PORN GANG.
Philippinen 2012, Regie: Khavn

I WANT YOUR LOVE und MONDO MANILA wollten nicht in meinem Notebookplayer laufen, so dass ich sie am ollen Fernsehbildschirm gucken musste und keine Bilder machen konnte. Dafür kommen aber gleich Trailer (Der von MONDO MANILA ist nicht aussagekräftig; anscheinend lässt sich seine Wucht nicht leicht in so ein Format pressen). Von Travis Mathews gibt es einen Kurzfilm, der auch I WANT YOUR LOVE heißt. Er lief im letzten Jahr auf dem Pornfilmfestal; Marco Siedelmann hat ihn besprochen (hier).

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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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3 Kommentare zu "Pornfilmfestival 2012: Chroniques sexuelles d’une famille d’aujourd’hui / I want your love / Mondo Manila"

  1. Claus 30. Oktober 2012 um 17:34 Uhr · Antworten

    Zitat:

    > In den Pornos, die ich bisher gesehen habe, wirkt es oft so, als begehrten die Frauen die Männer gar nicht richtig. Das wundert, da doch meistens Männer diese Filme drehen. <

    Vielleicht liegt das daran, dass Männer nicht gewohnt sind, begehrt zu werden! Dem Mann an sich wird von weiblicher Seite nicht gezeigt, dass er begehrt wird – jedenfalls war das zu 'meiner Zeit' (ich bin jetzt 50) noch so üblich.
    Weibliche Begierde gehörte nicht in die entsprechende Rollenbeschreibung – eine Frau, die Spass am Sex hatte, war suspekt und wurde nur zu gerne auch als Schlampe diffamiert.
    Mit Ende Zwanzig hatte ich z.B. eine Freundin, die sexuell sehr interessiert und auch unersättlich war, aber immer abwartete, dass ich sie verführte oder den Startschuss gab. Ich fragte sie dann mal, warum sie denn nicht selber mal ankäme und sagte, sie sei geil und wolle jetzt Sex haben. Die Antort darauf war, dass ginge doch nicht als Frau, sie müsse sich doch die Option offenhalten, 'Nein' sagen zu können, auch wenn sie eigentlich wollte… Also letzlich ein Machtspiel!
    Unsere Wege trennten sich…

    Dass Männer von Frauen begehrt werden und diese das nicht nur zeigen sondern auch artikulieren, gehört noch nicht lange zum Erfahrungsschatz von Männern – vielleicht sind sie deshalb auch noch recht unbeholfen, sich weibliche Begierde vorstellen, geschweige denn glaubhaft inszenieren zu können…

    • Silvia Szymanski 4. November 2012 um 16:06 Uhr ·

      Ja, da könntest du Recht haben. Es ist ein unsicheres Nachdenkgebiet; dauernd fallen mir Gegenbeispiele ein, wenn ich etwas zu dem Thema Sex in unserer Gesellschaft sagen will. Und dauernd will ich trotzdem etwas dazu sagen ;-) Ich schreibe gerade etwas dazu. Ich hoffe, es wird bald fertig, dann poste ich es hier.

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